Die Nutzung Erneuerbarer Energien wird durch politische Maßnahmen wie den REPowerEU-Plan unterstützt, der eine beschleunigte Abkehr von fossilen Brennstoffen und den Ausbau erneuerbarer Technologien vorsieht, Das soll helfen, die vereinbarten Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig die Energieversorgung sicherzustellen. In der EU braucht es für die nächsten Jahre jedoch noch jede Menge Gas als „Überbrückungs-Rohstoff“, um die Umstellungs-Prozesse in der Industrie zu ermöglichen. Eine weitere Verteuerung des gefragten Rohstoffs gilt es dabei zu verhindern. Ungarn könnte sich mit seiner Ost-West-Sonderstellung zu einer Drehscheibe für die mitteleuropäische Energieversorgung etablieren. Anleger können mit Ausnutzung der aktuellen Trends ihre Portfolio-Strategie verfeinern. Wir liefern ein paar Ideen.
Ist die „NetZero“-Strategie mit einer gesicherten Gasversorgung vereinbar?
Die „NetZero“-Strategie der Europäischen Union bis 2050 wirft ihre Schatten voraus. Denn die Quote Erneuerbarer Energien in Europa spielt eine zentrale Rolle für das Erreichen der vereinbarten Ziele. Im Jahr 2022 lag der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch in der EU bei ca. 23 %. Für 2030 hat die EU jedoch das Ziel, diesen Anteil auf mindestens 42,5 % zu steigern, mit einer möglichen Erweiterung auf 45 %. Diese Milestones basieren auf der überarbeiteten Erneuerbare-Energien-Richtlinie, die im November 2023 in Kraft trat, um die Energiewende und die Klimaneutralität bis 2050 bestmöglich zu unterstützen. Sämtliche EU-Staaten haben in den vergangenen Jahren ihre alternative Energieerzeugung nach oben geschraubt. Insbesondere Länder wie Deutschland erzielten bereits im ersten Halbjahr 2024 einen Strom-Anteil von 65 % aus erneuerbaren Quellen, mit Wind und Solar als Haupttreibern des Wachstums. Durch den Ukraine-Konflikt seit 2022 ist das Erreichen der Ziele bis 2050 jetzt mehr denn je gefährdet, denn der Mangel an fossilem Gas zu vernünftigen Preisen bedroht die Wirtschaft. Die steigenden Gaspreise der vergangenen Wochen haben bei europäischen Energiehändlern und auch bei Politikern schlechte Erinnerungen an das Jahr 2022 geweckt. Als der Kontinent in aller Eile seine Abhängigkeit von russischem Gas beenden wollte, waren die Preise bereits um 400% in die Höhe geschossen. Dies hatte nicht nur die bereits hohe Inflation weiter angeheizt, sondern auch Sorgen über mögliche Stromausfälle ausgelöst. Ein Kälteeinbruch im diesjährigen November hat sehr schnell wieder zu einem Anstieg der Erdgaspreise geführt. Sie erreichten Ende November fast 49 EUR pro Megawattstunde (MWh), mit rund 40 % Plus das höchste Niveau seit über einem Jahr.
Shell und Total – Noch ist das Gas ein wichtiger Umsatzbringer
Trotz aller Bemühungen der EU, die fossilen Anteile an der Versorgung zu schmälern, geht es bei weitem nicht so schnell wie erhofft. Die beiden Energieriesen Shell und Total gehen in ihrer Strategie natürlich einen renditebewussten Weg, wenngleich man sich an den Leitplanken der EU orientieren möchte. TotalEnergies (54,60 EUR | FR0000120271) hat Flüssigerdgas (LNG) als Eckpfeiler seiner Energiewende-Strategie in den Vordergrund gestellt. LNG trägt wesentlich zum gesamten Öl- und Gasportfolio des Unternehmens bei, wobei der Schwerpunkt auf kostengünstigen, emissionsarmen Projekten wie der Erweiterung des Qatar North Field, Mozambique LNG und US-LNG-Projekten liegt. Das Unternehmen will die LNG-Produktion bis 2028 jährlich um 2 bis 3 % steigern, wobei es sich auf Projekte mit hoher Rendite konzentriert. Dem letzten Finanzbericht zufolge machen LNG und andere gasbezogene Aktivitäten etwa 10 bis 15 % der Einnahmen von TotalEnergies aus. Das Unternehmen prognostiziert überdies ein stetiges Wachstum des gasbezogenen Cashflows, die bis 2028 im Vergleich zu 2023 um 3 Mrd. EUR anwachsen sollen.
Der ungleich größere Konkurrent Shell (30,53 EUR | GB00BP6MXD84) ist ein führender Akteur auf dem globalen Gasmarkt, insbesondere im Bereich LNG. Mit einem Anteil von fast 45 % am Gesamtenergiemix im Jahr 2023 macht Gas einen wesentlichen Teil des Geschäfts von Shell aus. Das Unternehmen plant, seine Führungsposition durch Investitionen in integrierte Gasversorgungsketten, einschließlich LNG-Produktion und Regasifizierungsanlagen weltweit, zu behaupten. Darüber hinaus erschließt das Unternehmen neue Märkte für LNG als saubere Energiequelle, insbesondere in Asien und Europa. Bis 2027 rechnet Shell mit einem weiteren Anstieg der Einnahmen aus dem Gasgeschäft als Teil seines übergeordneten Ziels, ein führender Anbieter zu bleiben, aber gleichzeitig den Übergang zu sauberer Energie zu vollziehen.
Beide Unternehmen erwarten eine steigende Nachfrage nach LNG, unterstützt durch Dekarbonisierungs-Iinitiativen und einen generell erhöhten globalen Energiebedarf. LNG wird daher ein wichtiger Umsatzträger für TotalEnergies und Shell bleiben, mit einer erwarteten jährlichen Wachstumsrate von etwa 4 bis 6% bis 2027. Nach Angaben des Shell-Managements steht der zunehmende Einsatz von Gas bei der weltweiten Energiewende mit den „NetZero“-Zielen im Einklang, da Gas als recht sauberer Übergangs-Rohstoff ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaftswachstum und Emissionsreduzierung schafft. Mit Dividenden-Renditen von 4 bis 5% sind beide Titel zyklisch und charttechnisch derzeit eher in einer Kaufzone angesiedelt. Aber Vorsicht: Öl-und Gaswerte haben natürlich eine hohe Korrelation zum weltwirtschaftlichen Konjunkturbild.
CanCambria Energy Corp. – Der neue Hub für Mitteleuropa
Russland ist, was die Gasversorgung der EU betrifft, längst nicht mehr der Gigant, der es einmal war. Der Anteil des von den Mitgliedstaaten importierten russischen Pipelinegases sank von 40 % der EU-Gesamtmenge im Jahr 2021 auf etwa neun Prozent im Jahr 2023. Inzwischen scheinen die russischen Gaslieferungen via Pipeline an die Union zu Ende zu gehen. Ungarn und die Slowakei erhalten derzeit noch russisches Gas, doch alle Anzeichen deuten darauf hin, dass diese Sonderstellung bis Ende 2024 ausläuft. Denn der fünfjährige Gastransit-Vertrag zwischen Gazprom und dem ukrainischen Staatsunternehmen Naftogaz für den Transport durch ukrainisches Territorium läuft mit diesem Jahr aus. Die ukrainische Regierung hat bereits angekündigt, ihn nicht zu verlängern – in Schlag für die europäischen Staaten, welche umgekehrt hohe Hilfsgelder für die Ukraine bereitstellen.
Eine besondere Stellung für das europäische Gasproblem könnte Ungarn einnehmen. Zwar ist die Regierung unter Orban noch Russland zugewandt, dennoch bestehen innerhalb der EU auch Absprachen und Verpflichtungen. Denn Ungarns Position in der Energieinfrastruktur ist geprägt von einer strategischen Kombination aus Pipeline-Verbindungen, Erdgasspeichern und einem starken Engagement in der Atomkraft. Während es weiterhin auf russische Energie setzt, sucht das Land zunehmend nach Diversifizierungsmöglichkeiten durch Partnerschaften und alternative Energiequellen. Importe und eine gesteigerte heimische Förderung sollen nicht nur die eigene Energieversorgung absichern, sondern das Land auch zu einem wichtigen Umschlagplatz machen. Die relative Unbeliebtheit Ungarns in Brüssel wird durch diese Abhängigkeiten stark relativiert.
Während die Exploration von Gasfeldern im Süden des Landes an Fahrt gewinnt, tummeln sich nun auch ausländische Gesellschaften wie die kanadische CanCambria Energy Corp. (0,75 CAD | ISIN: CA13740E1079 | TSX-V: CCEC) in dem osteuropäischen Staat. Chris Cornelius, Chairman und CEO des Unternehmens, kann etwas anbieten, was derzeit so gefragt ist wie lange nicht: Erdgas aus Europa. Denn das kanadische Unternehmen entwickelt eine bedeutende Gaskondensat-Ressource im Süden Ungarns: Das Tight Gas Sandprojekt Kiskunhalas. Die Investition im EU-Mitgliedsstaat macht großen Sinn, denn noch immer sind rund 80 % der Gebäude in Ungarn mit Öl und Erdgas betrieben, davon wurde in 2024 mehr als 80 % aus Russland importiert. Ob die Gaslieferungen auch in Zukunft fließen ist hochgradig ungewiss, denn das Transitland Ukraine hat die Trümpfe in der Hand. Orban geht hier eigene Wege. Vergleichbar mit den Bestrebungen der Türkei versucht Budapest, eine neue Rolle auf den europäischen Energiemärkten einzunehmen. Bislang bezieht Ungarn russisches Gas auch über die TurkStream-Pipeline, die von der südrussischen Küstenstadt Anapa durch das Schwarze Meer bis zum türkischen Ort Kiyiköy im europäischen Teil der Türkei sowie nach Bulgarien verläuft. Von dort aus gelangt ein Teil des Gases auch nach Ungarn.
Kiskunhalas ist Teil der Tight-Gas-Ressourcen des tiefen Pannonischen Beckens, einem geologischen “Superbecken”. Es gilt in der Branche als ein Territorium mit großem Potenzial für die Erschließung großer, tief liegender Tight-Gas-Sandsteinlagerstätten. Mit der bestehenden Pipeline-Infrastruktur befindet sich CanCambria in einer ausgezeichneten Position. Um Abnehmer muss sich CanCambria in absehbarer Zeit wenig Sorgen machen, denn die EU muss die wegfallende Russland-Fördermenge von immerhin 20% durch neue Abkommen sichern. Gerade Deutschland und Österreich befinden sich wegen der unsicheren Versorgungslage in einer prekären Situation, denn die Wirtschaft kämpft schon seit Ausbruch der Ukraine-Krise mit viel zu hohen Energiekosten.
CEO Chris Cornelius konzentriert sich auf qualitativ hochwertige, risikoarme Projekte mit direktem Zugang zu profitablen Märkten. So wie das klingt, ist Ungarn wohl erst der Beginn einer langfristigen Expansionsstrategie in Richtung europäischer Energiemärkte. Die Aktie mit dem Kürzel CCEC hat seit der Erstnotiz im Oktober schon um ganze 60 % zulegen können, sie ist auch in Deutschland handelbar. Mit einer überschaubaren Marktkapitalisierung von rund 50 Mio. EUR verlässt der Zug wohl gerade erst den Bahnhof.
Nel ASA und JinkoSolar – Regenerative Energie bleibt gefragt
Innerhalb der „NetZero“-Diskussion hat auch der Energieträger Wasserstoff einen hohen Beachtungswert. Einer der Pioniere im Elektrolyseur-Geschäft ist Nel ASA (0,26 EUR | 3,04 NOK |Oslo | NO0010081235) aus Norwegen. Der Kurs eilt derzeit von Tief zu Tief, da bislang die öffentlichen Aufträge in der Breite fehlen und das Thema wegen zu hoher Erzeugerkosten privatwirtschaftlich nicht in Gang kommt. Nun hat das Wasserstoff-Unternehmen über seine Tochter Nel Hydrogen Electrolyser AS einen Vertrag mit Samsung C&T über die Lieferung von 10 MW alkalischer Elektrolyseur-Technologie abgeschlossen. Die Demonstrationsanlage in Korea dient dazu, ein Modell für sogenannte „Pink Hydrogen”-Projekte zu erproben, bei denen überschüssige Energie aus Atomkraft zur Herstellung von Wasserstoff genutzt wird. Eine gute Idee, welche schnell Schule machen könnte. Der Auftragswert liegt bei niedrigen 5 Mio. EUR, hat aber bei rund 25 Mio. EUR Jahresumsatz durchaus Relevanz. Nel ASA erreichte erst kürzlich mit 2,75 NOK ein 5-Jahrestief, kann sich dort aber bislang gut behaupten. Ob damit schon ein langfristiger Turnaround möglich wird, liegt sicherlich auch an der EU-Investitionspolitik im neuen Jahr. Man sollte Nel ASA aus diesen Gründen im Auge behalten.
Im Solarbereich sollte die chinesische JinkoSolar (23,85 EUR | ISIN: US47759T1007 | NASDAQ: JKS) Beachtung finden. Denn etwa 50% der europäischen Solarmarktlieferungen entfallen auf JinkoSolar, was zu einem erheblichen Umsatzanteil beiträgt. Das Geschäft könnte aber unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump etwas holpriger ausfallen. In Q3 erreichte der Umsatz 24,5 Mrd. RMB (ca. 3,49 Mrd. USD), was einem leichten Anstieg von 1,9 % gegenüber dem Vorquartal gleichkommt, jedoch einem deutlichen Rückgang von 23 % im Jahresvergleich entspricht. Grund für den spürbaren Rückgang waren fallende Großhandelspreise für Solarmodule im Vergleich zu 2023. Der Bruttogewinn stieg im Quartalsvergleich zwar auf 3,86 Mrd. RMB (549,4 Mio. USD) und übertraf damit den Vorquartalswert um 44 %, jedoch blieb er deutlich unter dem Vorjahresergebnis. JinkoSolar hat trotzdem angekündigt, seine Produktionskapazitäten weltweit weiter auszubauen, um die steigende Nachfrage zu bedienen. Neben neuen Werken in den USA und Malaysia, die eine hohe Produktionskapazität ermöglichen sollen, plant das Unternehmen auch eine 10-GW-Produktionsanlage in Saudi-Arabien. Diese Expansionen sind Teil einer umfassenden Strategie, die auch die Präsenz in wachstumsstarken Märkten sichern soll. Mit aktuell 23,85 EUR liegt der Wert in den letzten 12 Monaten um 19,7 % zurück. Wer auf ein Comeback setzt, sollte die Äußerungen der Trump Administration aufmerksam verfolgen.
FAZIT
Die Energiewende in Europa ist mit Blick auf die „NetZero“-Diskussion von vielen Faktoren abhängig. Zum einen fehlen für den hohen regenerativen Anteil derzeit noch die nötige Netz-Infrastruktur und entsprechende Speichermöglichkeiten. Unter diesen Voraussetzungen gibt es aktuell kuriose Preisbildungen bis in den negativen Bereich, wenn die Sonne scheint und gleichzeitig der Wind bläst. Was in der EU fehlt, ist eine sichere Grundlast-Versorgung und eine transparente Strategie zur Vermeidung fossiler Rohstoffe. Politisch gewinnt man den Eindruck, dass nur wenige Staaten inklusive Deutschland diesen Weg beschreiten, während viele andere Regierungen die Kernkraft und das Öl- und Gasgeschäft forcieren. So funktioniert keine globale und lastengleiche Dekarbonisierung! Neben interessanten Standardwerten wie Shell oder Total sollten Investoren daher auch auf Sondersituationen wie bei CanCambria achten. Hier entwickelt sich gerade ein pan-europäisches Geschäftsmodell, das die Unterversorgung mit Gas mittelfristig entschärfen könnte. Spekulativ sollten auch Nel ASA und JinkoSolar als Vertreter alternativer Energien wieder ins Auge gefasst werden. Eine gute Streuung vermeidet überbordende Einzelwertrisiken!
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Graphiken/Tabellen/Bilder: Das Investor Magazin, CanCambria Energy Corp.
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